Was ihr tun könnt, um uns zu schützen
So seltsam es sich anhören mag: Um uns Wölfe wirksam zu schätzen, müsst ihr erst einmal lernen nichts zu tun. Denn der größte Feind der Natur ist der menschliche Ordnungssinn. Nichts darf sich bei euch selbst entfalten, wachsen und wuchern, wie es will, sondern ihr Menschen müsst über jede Pflanze und über jedes Tier bestimmen und alles ordnen. Kein Baum, kein Strauch, keine Hecke, keine Wiese, kein Wald, der nicht von euch gepflanzt, gepflegt und genutzt wird. Nur eine gepflegte Landschaft ist bei euch eine schöne Landschaft?! Das scheinbar Unnütze hat darin keinen Platz. Das gilt für die Brennnessel genauso wie für den Sumpf, den Reisighaufen oder uns Wölfe.
So beginnt echter Naturschutz in euren Köpfen. Erst wenn ihr lernt, auf Ordnung hier und da zu verzichten, und die Natur sich selbst zu überlassen, kann sich Leben frei entwickeln. Erst dann werden wir Wölfe wieder bei euch leben können; nicht, weil wir die Wildnis unbedingt brauchen, sondern weil ihr uns nur dort dulden wollt. Wir können nur dort leben, wo ihr Menschen auf Nutzung verzichten und lernt, euch zu beschränken.
Dann sollte man natürlich auch nicht mehr an den bösen Wolf Euerer Märchen glauben. Ihr seid so viele Gefahren ausgesetzt wie zum Beispiel: Autos, Drogen, Zigaretten, die jeden Tag viele Menschen töten. Hunde beißen euch, ja sogar die Biene hat viel mehr Menschenleben gefordert als die Wölfe aller Zeiten. Darüber solltet auch ihr euere Öffentlichkeit aufklären und immer wieder gegen Vorurteile über uns Wölfe antreten. Denn erst wenn auch die Angst der Menschen vor uns überwunden ist, haben wir bei euch eine Überlebenschance.
Man kann auch in Länder reisen, wo wir noch in freier Wildbahn leben. Besonders schöne Urlaubsgebiete zum Wandern und zur Naturbeobachtung - auch wenn man nur mit viel Glück Kollegen von mir zu sehen bekommt - sind zum Beispiel die Abruzzen in Italien, das Kanarische Gebirge in Spanien, der Bialowieza Nationalpark in Polen, die Hohe Tatra in der Slowakei oder die Karpaten in Rumänien. Ein “sanfter Tourismus” kann den Menschen in diesen und anderen Gebieten helfen, etwas hinzuzuverdienen. Dabei soll man ruhig erwähnen, dass man auch wegen uns Wölfe gekommen ist. Denn damit erkennen die Menschen, dass eine noch intakte Natur ihr größtes Kapital ist. Das vor allem hilft die Natur und uns Wölfe zu schützen.
Was passiert mit der Natur, wenn es uns nicht mehr gibt?
Wären Wolf und Mensch gleich gute Jäger, könnte der eine ebenso gut wie der andere für das Gleichgewicht in der Natur sorgen. Aber es ist nicht so. Als wir Wölfe im letzten Jahrhundert ausgerottet wurden, gab es kaum noch Wild in unseren Wäldern. Und weil wir keine Beute mehr fanden, war es nicht schwer uns zu besiegen. Im Winter hatten wir nichts und mussten verhungern. Als dann auch der Bär und der Luchs als Jagdkonkurrenten ausgerottet waren, siedelte der Mensch allmählich das Wild wieder ein. Langsam erholten sich die Bestände von Reh und Hirsch. Man wollte das Wild gesund und kräftig erhalten und nur die schwachen und kranken Tiere erlegen - also jagen wie wir Wölfe. Im Vordergrund sollte das Gleichgewicht zwischen Wild und Wald stehen: Rehe, Wildschweine und Hirsche sollten ausreichend Nahrung finden können und der Wald trotzdem wachsen.
Doch das ist nie erreicht worden. Heute gibt es mehr Rehe als je zuvor. Sie fressen den Wald kaputt und zerstören dabei ihre eigene Nahrungsgrundlage. Nur mit Winterfütterung kann man das viel zu zahlreiche Wild am Leben erhalten - zum Nachteil des Waldes. Viele Baumarten, vor allem die, die das Wild gerne frisst, haben kaum noch eine Chance, groß zu werden. Die Folge sind reine Buchenwälder oder öde Fichten- oder Kiefernwälder, in denen kaum eine andere Pflanzenart Platz hat.
Das Wild selbst profitiert nicht von der Ausrottung von uns Wölfen. Viel zu viele kranke und schwache Tiere bleiben am Leben und vermehren sich. Von Hirschen und Rehen mit starken Geweihen träumen die menschlichen Jäger nur noch. Der Jäger Mensch hat es also nicht geschafft, den Jäger Wolf in der Natur zu ersetzen.
Warum ist das so? Es liegt an der Bewaffnung des Menschen. Wir Wölfe hetzen unsere Beute hinterher, testen sie und erlegen am Ende nur Tiere, die wir am leichtesten erwischen können, weil sie krank oder schwach sind. Der moderne Mensch jagt dagegen im Sitzen aus großer Entfernung mit seinem Gewehr, das wahllos tötet. So werden häufig gerade die Tiere erlegt, die der Wolf nie bekommen würde. Andere dagegen, die bei der Anwesenheit von uns Wölfen, oder von Bären oder Luchsen keine Überlebenschance hätten, bleiben am Leben. Daher wünschen sich viele Waldbesitzer, Förster und sogar auch Jäger uns Wölfe zurück, damit das gestärkte Gleichgewicht zwischen Wald und Wild wieder hergestellt wird. Doch in eurer intensiv genutzten Kulturlandschaft werden wir Wölfe kaum eine Chance haben, es sei denn, ihr hindert die Jäger daran, die wenigen Wölfe, die jetzt wieder zu euch vordringen, erneut auszurotten.
Können Wölfe heute wieder hier leben?
Würden wir Wölfe noch in eueren Wäldern leben, würde es weniger Wild geben, aber der Wald wäre gesünder. Zudem bekämet ihr einen Hauch von Abenteuer zurück, der euch allen in euerer wohl geordneten Welt fehlt. Stellt euch doch einmal vor: In einer dunklen Wintersnacht hört ihr uns Wölfe heulen. Oder im Sommer stoßt ihr auf eine alte Kinderstube unserer Welpen. Natürlich werden wir Wölfe euch nicht auffressen. Ihr werdet froh sein uns einmal zu hören. Denn wir Wölfe sind so menschenscheu, wir ziehen uns lieber in den tiefsten Wald zurück als auf der offenen Landschaft. Auch euer Vieh würden wir kaum angreifen, denn euere Schafe, Kühe und Pferde werden nicht wie früher zum Weiden in den Wald geschickt, sondern fast nur auf hofnahen Koppeln mit Stromzaun gehalten, oder in Ställen.
Den Luchs versucht man schon hier und da wieder einzubürgern. Beim Bären überlegt man noch, wo er leben könnte und wie er dort wieder hinkommen soll. Bei uns Wölfen muss man gar nichts machen: Wir kommen von ganz alleine.
Doch was ist mit den Schäfern, die zu Recht damit rechnen müssen, dass in entlegenen Gebieten einige Schafe gerissen werden, und die deshalb gegen die Wiedereinsiedelung des Luchses, des Bären und uns Wölfe sind? Ihr Schäfer lebt nicht mehr wie früher mit einer Decke am Rand der Schafsherde. ihr habt Hütten und Hunde die uns verscheuchen. Auch habt ihr Stromzäune. Wenn wir uns einmal einen Stromschlag abholen, werden wir die Zäune weit meiden, und noch mehr die Tiere dahinter!
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