Lebensweise

Friedliche Familie statt strenger Hierarchie

Oft wird behauptet, wir Wölfe würden in Rudeln leben. Und es gebe einen Alpha-Wolf, der alles bestimmt, ständig im Mittelpunkt steht. Angeblich unterwerfen sich diesem alle. Und es gebe eine strenge hierarchische Rangordnung – das schwächste Tier wäre sogar ein Prügelknabe! Aber unter uns: das ist Quatsch! Ich glaube, es kommt daher, dass ihr Menschen viel zu wenig über uns Wölfe wisst und Euer bisschen Wissen aus Wölfen in Gefangenschaft habt.

Die Wahrheit sieht so aus: Wir leben – wie Ihr Menschen – in Familien, nämlich dem Elternpaar mit deren Nachkommen. Wie in jeder Familie wird gekuschelt, gespielt, voneinander gelernt und auch manchmal gestritten und wieder versöhnt. Kinder werden frech, trotzig, wollen Regeln umgehen, tricksen Erwachsene aus und die Eltern machen sich Sorgen, stellen Regeln auf, schimpfen auch mal. Große Geschwister passen auf die kleinen auf, andere helfen bei der Jagd. Manche Eltern erziehen streng, andere weniger streng. Manche Familien sind sehr aktiv, spielen viel und laufen umher, andere dagegen schlafen mehr und bewegen sich nur zur Jagd. Kommt Euch Zweibeinern das nicht bekannt vor?

Familiengründung

Mit zwei Jahren verabschieden wir Wölfe uns von unserer Familie und wandern ab um eine eigene Familie zu gründen. Viele von uns Wölfen überleben die Zeit der Wanderschaft nicht. Beispielsweise beim überqueren von Straßen sterben heute viele meiner Verwandten, andere werden von Jägern oder Viehhirten erschossen.

Wir wandern solang, bis wir ein freies Territorium (und davon gibt es viele in Deutschland) mit Beutetiere (davon gibt es auch sehr viele im deutschen Lande) und einen Partner (und keinen Verwandten - da wird es schwierig) gefunden haben. Das kann gleich um die Ecke sein, manche meiner Freunde wandern aber auch mehr als 1500 km. Mit dem Partner paaren wir uns nach einer spannenden Ranzzeit. Zwei Monate später, wenn es Frühling wird, werden unsere Welpen in einer Höhle geboren. In einem Wurf befinden sich in der Regel zwischen drei und sieben Welpen. Sie sind anfangs blind, schwarz und können ihre Körpertemperatur noch nicht halten. Der Rüde (männlicher Wolf) geht allein auf die Jagd und bringt der Fähe (weiblicher Wolf) Nahrung. Diese wird im Magen transportiert und wieder ausgespuckt. Mit vier Wochen bekommen die Welpen etwas davon ab. Im Alter von acht Wochen wird der Bau kaum noch genutzt. Jetzt suchen wir ein neues Versteck, meist in der Nähe von Wasser, denn die Fähe braucht viel Milch für die immer größer werdenden Welpen. Später wird man genau erkennen können, dass hier die Kinderstube gewesen ist. Das Gras ist niedergetrampelt, das Moos von den Bäumen und Steinen heruntergerissen worden. Der Bau ist meist tief im Wald, am Ufer eines Flusses oder in der Nähe eines Sees an einer versteckten Stelle, die von allen Seiten durch dichtes Gebüsch vor Einsicht geschützt ist.

Die Welpen wachsen schnell heran und folgen schließlich ihren Eltern auf den Streifzügen durch das Revier. Von nun an lernen sie alle Gebote und Verbote unseres Rudels kennen. Sie müssen sich den älteren fügen und respektieren. Doch vor allem wo Gefahren lauern, welchen Wege durch das Homerange führen und wie man jagt. Eine lange und nicht immer ungefährliche Lehrzeit steht ihnen nun bevor.

Mit einem Jahr, als Jugendliche – sogenannten Jungwölfen, übernehmen sie schon Verantwortung bei der Jagd und unterstützen die Eltern bei der Aufzucht der neuen Welpen. Ein neues Wolfsrudel ist entstanden.

Unter normalen Bedingungen besteht unsere Familie im Herbst aus dem Elternpaar, dem Nachwuchs aus dem Vorjahr und dem Nachwuchs aus demselben Jahr. Kämpfe finden in der Familie nicht statt. Ebenso wie die Paarung untereinander.

Beutetiere

Als Wolfsfamilie sind wir sehr von unserer Umgebung abhängig. Besonders von den Gefahren (dem Menschen!!!) und natürlich von unseren Beutetieren. Je größer und wehrhafter das Beutetier ist, desto mehr erfahrene Jäger braucht das Rudel. Die Beutetiere regulieren also die Größe der Wolfsfamilie. In Gebieten, in denen wir Elche oder Bison jagen, kann das Rudel gute 20 Wölfe haben und wo nur kleine Beutetiere wie Hase und Biber vorkommen, hält meist nur ein Paar zusammen.

Auch die Größe unseres Jagdrevieres hängt von der Zahl, aber auch vom Verhalten der wichtigsten Beutetiere ab. Wenn wir zum Beispiel von Rentieren im hohen Norden leben, die viel wandern, müssen wir mit wandern. Solche Reviere des Rudels sind besonders großräumig, so groß wie ganz Deutschland oder noch größer. Eine deutsche Wolfsfamilie nutzt – wie im europäischen Durchschnitt – ein Territorium von etwa 300 km2

Unsere Ernährung

Hauptsächlich besteht die Nahrung von uns Wölfen aus Fleisch. Wir sind jedoch pflanzlicher Nahrung nicht vollkommen abgeneigt und verspeisen manchmal auch Beeren, Früchte, Samen und Gräser. Beim Jagen erreichen wir eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 50 bis 60 km in der Stunde, täglich wandern wir ca. 60 - 90 km.

Wir Wölfe testen immer unsere Beutetiere. Sind sie zu schnell oder zu wehrhaft, geben wir bald wieder auf, wandern weiter und versuchen unser Glück woanders. Wir schlagen nur soviel Beute, wie wir zum überleben und zur Aufzucht unserer Welpen benötigen. Wir sind keine Killer, die im Blutrausch alles töten, was sich bewegt.

www.Wölfe.info Martina Garz© 2011