Wie wächst ein Welpe heran?
Die Tragezeit dauert bei meiner Fähe immer zwischen 61 und 63 Tage. Sie gräbt eine Höhle, und erneuert die vom Vorjahr. Die anderen Wölfe in unserem Rudel jagen mit mir unterdessen ohne sie und schleppen Futterbrocken heran, die wir um die Haupthöhle herum vergraben. Jedes Mal werden wir dann von der Wölfin stürmisch begrüßt. Von nun an ist sie ganz auf unsere Hilfe angewiesen - doch wir werden sie nicht enttäuschen.
Schließlich ist es so weit - die Jungen da. Unsere Welpen wiegen nur ein Paar hundert Gramm, sie sind klein und schwarz, blind und taub. In den ersten drei Tagen bleibt meine Fähe immer bei den Welpen. Sie ist aufmerksam, fürsorglich und geduldig, aber uns anderen lässt sie nicht in die Höhle, obwohl wir die Kleinen unbedingt sehen wollen und total neugierig sind. Erst im Alter von zehn Tagen verändert sich das Verhalten der sonst schlafenden und trinkenden Welpen ein wenig. Sie sind jetzt doppelt so groß und immer noch völlig schwarz und können jetzt ihre Körpertemperatur alleine halten.
Wenn die Welpen knapp zwei Wochen alt sind öffnen sie zum ersten Mal ihre blauen Augen und schon ein paar Tage später beginnen sie herum zu krabbeln. Mit drei Wochen brechen die ersten Zähne durch. Wenn die Welpen vier Wochen alt sind, bekommen sie zum ersten mal Fleisch, das von meiner Fähe im Magen transportiert wird. Sie bekommen dann einen Wachstumsschub bis zu 60%. Die meiste Zeit, die sie nicht schlafen, spielen sie miteinander, denn auch Wolfswelpen müssen viel lernen und wie alle Kinder tun sie das hauptsächlich im Spiel. Mit sechs Wochen kommen die Welpen auch mal an den Höhleneingang, wo wir anderen Rudelmitgliedern sie zum ersten Mal sehen und sie gleich begrüßen.
Jeden Abend ziehen wir Jäger des Rudels los, auch die Alpha-Wölfin ist wieder mit dabei. Wir lassen dann immer einen “Babysitter” (Jungtier) bei den Welpen zurück. Nehmen wir was Verdächtiges wahr, genügt ein leichtes Wuffen und die Welpen verschwinden schnell in der Höhle. Dieser Warnlaut ist ihnen angeboren.
Doch unsere Geduld mit den Welpen ist nur anfänglich grenzenlos, denn sie brauchen jetzt immer mehr Fleisch. Doch auch andere Tiere wie Elch und Reh bekommen im Frühling ihrer Kälber, und die unvorsichtigen unter ihnen sind leichte Beute für uns Wölfe. Manchmal dauert es lange, bis wir von der Jagd mit vollen Bäuchen zurückkehren. Erblicken die Welpen dann einen von uns Wölfen, fallen sie über ihn her, springen ihn an und versuchen, ihm die Mundwinkel so lange zu lecken, bis er seinen ganzen Mageninhalt vor ihnen auswürgt.
Der Bau von den inzwischen acht Wochen alten Welpen wird kaum noch genutzt, nur bei starken Regen gehen sie noch hinein. Jetzt suchen wir ein neues Versteck, meist in der Nähe von Wasser, denn die Fehe braucht viel Milch für die immer größer werdenden Welpen. Später wird man genau erkennen können, dass hier die Kinderstube gewesen ist. Das Gras ist niedergetrampelt, das Moos von den Bäumen und Steinen heruntergerissen worden. Der Bau ist meist tief im Wald, am Ufer eines Flusses oder in der Nähe eines Sees an einer versteckten Stelle, die von allen Seiten durch dichtes Gebüsch vor Einsicht geschützt ist.
Die Welpen werden immer größer, aufdringlicher und frecher. Dann kommt es vor, dass ein Altwolf von uns einen allzu frechen Welpen anknurrt. Sollte dieser immer noch nicht “hören”, geht der Alte weg. Doch bald beginnen wir stärker durchzugreifen. Nützt die Drohung mit Zähneblecken und Knurren nichts, beißt der große Wolf dem Kleinen über die Schnauze. Dann steckt das kleine Mäulchen zwischen den großen Zähnen. Es passiert nichts, denn wir haben eine deutliche Beißhemmung gegenüber den Welpen. Sie verhindert, dass fest zugebissen wird und es zu Verletzungen kommt. So “bremst” man die jungen Wölfe. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn sie mit auf die Jagd gehen wollen und mitlaufen. Die Welpen dürfen nicht weiter folgen und bleiben bei den Aufpassern. Von nun an lernen sie alle Gebote und Verbote unseres Rudels kennen. Sie müssen sich den älteren fügen und die Rangordnung respektieren. Doch vor allem wo Gefahren lauern, welchen Wege durch das Revier führen und wie man Jagd. Eine lange und nicht immer ungefährliche Lehrzeit steht ihnen nun bevor.
Sind die Welpen etwa elf Wochen alt, so wird bereits festgelegt, wer unter den Gleichaltrigen zukünftig das sagen hat, wer der Erste am Futter ist und wer das soziale Geschehen beeinflusst.
Was passiert in der Ranzzeit?
Die Paarungszeit, Ranzzeit genannt, ist die interessanteste Periode im Jahreslauf von uns Wölfen. Schon Monate bevor die Fähen, Ende Januar läufig werden, macht sich eine zunehmende Unruhe in unserem Rudel bemerkbar. Jetzt beginnt vor allem mein Alpha-Weibchen immer aggressiver zu werden. Jedes andere geschlechtsreife Weibchen im Rudel wird angegriffen. Sie werden vertrieben oder so sehr unterdrückt, dass sie nicht auf die Idee kommen, sich mit einem Rüden einzulassen. Sie will so verhindern, dass auch andere Weibchen läufig werden. Wir Rüden interessieren uns ohnehin nur für das Alpha-Weibchen. Es strömt jetzt ein besonders verführerischer Duft aus. Es drängt sich gegen uns Rüden, fordert uns zum Spiel auf und bietet sich geradezu an. Den Rüden gefällt das, sie laufen ihr ständig hinterher und versuchen, möglichst in ihrer Nähe zu bleiben. Nur mir als Alpha-Rüden gefällt das ganz und gar nicht. Ich verhalte mich drohend gegenüber den anderen Rüden und greife diese mitunter auch an.
Nach der Paarung, die etwa 20 Minuten dauert und mehrmals am Tag wiederholt wird, bleibe ich noch acht bis 14 Tage bei meinem Weibchen. Keiner von uns beiden frisst in dieser Zeit viel. Die Jagd hat praktisch aufgehört. Alles dreht sich nur um die Paarung. Im Unterschied zu den Hunderüden sind wir Wolfsrüden nicht das ganze Jahr über zeugungsfähig. Wir paaren sich nur einmal im Jahr, und zwar im Spätwinter. Und deshalb ist das Vorspiel zwischen Fähe und Rüde so wichtig. Dabei geben aber auch die rangniedrigen Rüden nicht auf. Sie folgen uns auf Schritt und Tritt und sollte ich einmal unaufmerksam sein, ist sofort einer von ihnen zur Stelle. Manchmal lässt ihn mein Alpha-Weibchen gewähren, doch meist verjagt sie ihn jetzt. Die aufregende Zeit der Ranz geht ihrem Ende entgegen.
Während im Sommer manche von meinem Rudel auch mal ihren eigenen Weg gehen, ist der gemeinsame Treffpunkt immer der Aufenthaltsort der Welpen. Im Herbst schließen sich die Rudelmitglieder wieder enger zusammen. Dann müssen auch die Welpen groß genug sein, um uns Alten folgen zu können. Um im Winter sich eng zusammen zu halten um gemeinsam große Beutetiere zu jagen.
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